Feuilleton der "Frankfurter Zeitung"
Beteiligte: PD Dr. Almut Todorow, Prof. Dr. Gert Ueding
Studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Judith Brendel, Arne Kapitza, Klaus Rettner, Dietmar Töpfer, Andrea Wetterauer
Projektbeschreibung
Die Kultur- und Feuilletonpublizistik hat in Deutschland seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert an Bedeutung stetig zugenommen. Sie erfüllt heute nicht nur umfassende kulturelle und wissenschaftliche Vermittlungsaufgaben, sondern bildet auch eines der wichtigsten Diskursfelder für öffentliches Nachdenken und gesellschaftspolitische Bildung. Im Feuilleton findet die kurzzeitige und effektive Kommunikation über komplexe Themen des Kulturlebens ihren Platz. Dieser Bedeutung entspricht nicht, was ein landläufiger und oft abwertender Begriff von Feuilleton nahelegt, noch aber auch, was an systematischen, historischen oder literarischen Kenntnissen über das Feuilleton von wissenschaftlicher Seite bislang vorliegt. Die deutsche Forschung ist bei einem heute veralteten Stand der 'Feuilletonkunde' der sechziger Jahre stehengeblieben, Quellenforschung so gut wie nicht mehr betrieben worden.
Das von der DFG finanzierte Projekt "
Das Feuilleton der
Frankfurter
Zeitung
während der Weimarer Republik"
setzt hier einen Neuanfang. Es verfolgt in einer doppelten Ausrichtung die Quellenerschlie▀ung eines historisch bedeutenden Feuilletons und die auswertende Erforschung der sprachlich-rhetorischen und kulturvermittelnden Strukturen des erfa▀ten Materials. Damit sollen aussagefähige Kenntnisse auch für die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der heutigen Feuilletonpublizistik gewonnen werden.
Exemplarisch und für weitere Feuilleton- und Zeitungserschlie▀ungen übertragbar ist in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach und mit dem universitätseigenen, auf gro▀e Editionen spezialisierten Textverarbeitungsprogramm TUSTEP ein gangbarer Weg für die umfangreiche bibliographische Quellenerschlie▀ung und Materialdokumentation entwickelt worden.
Die Forschungsziele bestimmen die Vorgehensweise bei der Materialerschlie▀ung: Konzeption und Selbstverständnis des Feuilletons, seine Wirkungsintentionen, die charakteristi-schen Ausprägungen massenmedialer Rhetorik und Meinungsbildung, insbesondere der zeit-genössischen Schlagwort- und Toposbildung, der mediale Kontext von feuilletonspezifischen Gattungen wie Rezension, Kritik, Essay, Glosse oder Reiseprosa, der bislang nie systematisch untersuchte Autoren- und Werkkatalog eines führenden Feuilletons, institutionelle, organisatorische und personelle Verflechtungen - all dies sind Desiderate sowohl der Rhetorik- und Mediengeschichtsforschung wie auch der Analyse heutiger Feuilletonpublizistik.
Die
Frankfurter Zeitung
bietet mit ihrer herausragenden Stellung in der Weimarer Presselandschaft und ihrer Eigenständigkeit gegenüber dem zentrierenden Anspruch der Reichshauptstadt Berlin ein äu▀erst ergiebiges Forschungsfeld. Mehr noch als andere Zeitungen der Weimarer Zeit hat sie unter der behutsamen Leitung von Benno Reifenberg das feuilletonspezifische Zusammenspiel von dokumentarischen, literarisch ästhetischen und unterhaltenden Intentionen gepflegt und Autoren wie Joseph Roth, Siegfried Kracauer, Friedrich Sieburg, Alfred Döblin, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno oder René Schickele als Mitarbeiter gewonnen. Zeithistorisch wie ästhetisch und wissenschaftlich bedeutende Texte sind hier entstanden.
Für die Zukunft ist die Auswertung der bestehenden Quellenerschlie▀ung der
Frankfurter Zeitung
1918-1933 (62500 kommentierte, über Register zugängliche bibliographische Einträge) mit zwei Forschungsschwerpunkten geplant:
- Herausbildung von Schlagworten und topischen Strukturen in der Feuilletonpublizistik der Weimarer Republik
- Vordringen interpretierender, sprachästhetischer und visueller Darstellungsverfahren im pressepublizistischen Kontext im 19. und 20. Jahrhundert
Publikationen zum Projekt
Todorow, Almut:
Habilitationsschrift: Das Feuilleton der
Frankfurter Zeitung
in der Weimarer Republik. Zur Grundlegung einer rhetorischen Medienforschung. Tübingen 1996.
Edition (in Vorbereitung für den Druck): Das Feuilleton der
Frankfurter Zeitung
von 1918 bis 1933. Vollständiges erschlie▀endes und kommentiertes Verzeichnis der Beiträge. 12 bis 14 Bände, bei Max Niemeyer Verlag, Tübingen. Voraussichtlicher Erscheinungsbeginn Frühjahr 1997, geplanter Abschlu▀ Herbst 1999.
Kapitza, Arne:
Zwischen Anpassung und Opposition. Die "
Frankfurter Zeitung
" und die nationalsozialistische Machtergreifung. In: Jahrbuch zur Liberalismusforschung, 5.Jg.1993, S. 69-104
olaf.kramer@uni-tuebingen.de(olaf.karmer@uni-tuebingen.de)
Stand: 30. 5. 1996